Wege zum akademischen Stil
Wissenschaftlicher Stil ist kein Code, den es zu erlernen gilt, sondern ergibt sich von selbst, wenn du logisch argumentierst und präzise Formulierungen verwendest. Nachfolgend gebe ich einen kurzen Überblick über die Hauptkriterien von Wissenschaftssprache.
1. Wissenschaftlicher Stil durch Fachsprache
Der wissenschaftliche Stil unterscheidet sich deutlich vom journalistischen Stil. Da in journalistischen Texten Aufmerksamkeit geweckt und in kurzer Zeit möglichst viel Informationen transportiert werden sollen, bedienen sich Journalisten einer emotionalen, bildhaften Sprache. So ist in der FAZ vom 15.8.2021 unter der Schlagzeile “Abschied vom FC Barcelona. Jetzt ist auch Messi ein Söldner” zu lesen “Ob wir ihn je wieder so heulen sehen wie am vergangenen Sonntag … ?”
Kriterien der akademischen Schreibweise sind hingegen Unaufgeregtheit und Präzision. Es sind stichhaltige, nachvollziehbare Argumente in einer sachlichen Sprache darzulegen.
Was sollte in wissenschaftlichen Texten vermieden werden
Um diese Neutralität und Sachlichkeit zu erzeugen, sollten in akademischen Texten beispielsweise folgende Punkte beachtet werden:
- keine “man”- oder “ich”-Konstruktionen
- keine direkte Ansprache des Lesers
- keine Superlative – es sei denn, die Aussage kann statistisch nachgewiesen werden
- keine Verallgemeinerungen
- keine Umgangssprache (dazu gehört zunächst, Umgangssprache zu identifizieren)
- keine Synonyme für Fachbegriffe verwenden
Wieso Synonyme unerwünscht sind
Im Gegensatz zu literarischen Texten sollten Synonyme in wissenschaftlichen Texten mit Vorsicht verwendet werden, da der Leser bei einem neuen Wort intuitiv eine neue Sache erwartet. Er muss sich erst erschließen, dass das Gleiche gemeint ist. Das kostet Zeit und Mühe.
Zudem besteht die Möglichkeit, dass das vermeintliche Synonym die beabsichtigte Aussage verfälscht. In den Wirtschaftswissenschaften ist beispielsweise klar zwischen Betrieb, Unternehmung und Firma abzugrenzen.
Wenn dasselbe gemeint ist, ist es daher am präzisesten, wenn du das Wort wiederholst. Wenn nötig, auch mehrfach hintereinander.
2. Klarer Satzbau
Die Hauptinformation sollte im Hauptsatz stehen.
Satzteile, denen ein größeres Gewicht zukommt, gehören an den Satzanfang oder an das Satzende. Satzteile, die nicht herausgestellt werden, in die Mitte.
Manchmal begegne ich Bachelorarbeiten, die über große Strecken einen unnatürlichen Satzbau aufweisen. Hier wird schnell deutlich, dass der Student Satz für Satz aus einer Vorlage übernommen und dabei lediglich die Wortstellung verändert hat. Zusätzlich werden einige Begriffe durch Synonyme verändert.
Beispiel:
Abgesehen davon, dass solch ein Vorgehen nichts mit wissenschaftlichem Arbeiten zu tun hat – es fällt auch aufgrund der konstruierten Sprache auf.
Da gibt es nur eine Lösung: Zuerst die Vorlage schließen. Erst danach die Datei mit der eigenen Abschlussarbeit öffnen. Nun die Kernaussage aus dem Gedächtnis mit eigenen Worten formulieren.
3. Überflüssige Aussagen streichen
Nicht in eine wissenschaftliche Arbeit gehören
- Füllwörter (letztlich, hinlänglich, gewissermaßen)
- Füllsätze (“Nachfolgend werden die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst.“)
- Trivialitäten (“Hier bietet sich dem Unternehmen die Möglichkeit, viel Geld zu sparen.”)
- Wiederholungen (“Wie bereits dargestellt wurde, …”)
4. Fakten von Vermutungen abgrenzen
Es ist genau abzugrenzen, ob eine Vermutung geäußert wird.
Jede Aussage muss begründet, das heißt, durch Fakten bzw. Quellenangaben gestützt werden. Ansonsten hat die Aussage lediglich die Qualität einer Behauptung.
Aussagen sollten nicht durch die Verwendung des Konditionals abgeschwächt werden.
Die Formulierung “dieses Ergebnis kann interpretiert werden als …” lässt die Schlussfolgerung zu, dass das Ergebnis auch auf zwanzig andere Arten interpretiert werden kann. Dadurch wird die Aussage jedoch uneindeutig. Die Verwendung des Konditionals “kann” hat nur dann Berechtigung, wenn im Anschluss Gegenargumente diskutiert werden.
Unscharfe Formulierungen (manchmal, viele, häufig) sind unwissenschaftlich.
Angaben sind durch quantitative Daten zu belegen. Es ist exakt zu formulieren.
Beispiel:
statt | “die meisten Befragten” | besser | “75 % der Befragten” |
statt | “in manchen Fällen” | besser | “in 10 von 100 Fällen” |
5. Lückenlose Quellenangaben
Der Urheber einer Aussage ist immer anzugeben.
Die Leser müssen bei jeder Aussage nachvollziehen können, woher die Information stammt.
Hierbei sind sowohl wörtliche als auch sinngemäße Zitate zu kennzeichnen.
Wörtliche Zitate sollten nur dann eingesetzt werden, wenn die Aussage so einzigartig ist, dass sie nicht mit eigenen Worten wiedergegeben werden kann bzw. dem Leser nicht vorenthalten werden darf.
Sekundärzitate sind nur im Ausnahmefall anzuwenden, nämlich dann, wenn das Original nicht zugänglich ist.
Welche Quellen sind wissenschaftlich genug?
Bei der Arbeit mit Literatur und Quellen ist die Zitierwürdigkeit des Materials zu prüfen. Zu den wissenschaftlichen Materialien gehören Monografien und Sammelbände aus namhaften Verlagen sowie Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften.
“Die Bewertung der Wissenschaftlichkeit von Literatur erfolgt – neben der inhaltlichen Qualität – hauptsächlich am Kriterium des Peer-Review. Dies bedeutet, dass die jeweilige Arbeit von mindestens einem ebenbürtigen Fachkollegen (Peer) positiv begutachtet wurde.” (Oehlrich, 2019)
Lehrbücher, Lexika und Vorlesungsmaterialien gelten nicht als wissenschaftliche Quellen, können jedoch als Einstiegsliteratur eine gute erste Orientierung über das zu bearbeitende Thema geben.
Abzulehnen sind Internetquellen von Privatpersonen, wie auch der Werbung dienende Seiten von Firmen, Dienstleistungsunternehmen oder andere kommerzielle Seiten.
„Bei Quellen aus dem Internet […] sollte nachgefragt und geprüft werden: Sind die Autoren bekannt und anerkannt? Geben die Autoren sich mit Adressen und Kontaktdaten zu erkennen und bürgen damit zumindest mit ihren Namen für die Qualität der Quelle? Hat der Text den Charakter einer fachlichen Stellungnahme, einer Meinungsäußerung, eines Kommentars […]? Ohne befriedigende Antworten auf Fragen wie diese ist eine Quelle aus dem Internet so (wenig) verlässlich wie ein Zettel, der auf der Straße aufgelesen wird.“ (Disterer, 2014)
Was ist der Unterschied zwischen Quellen und Literatur?
Um die Frage kurz nach Theisen (2021) zu beantworten:
Eine Quelle ist ein originales Primärmaterial, das noch nicht für wissenschaftliche Zwecke verarbeitet wurde. Zu Quellen zählen beispielsweise Gesetze, Urteile, Normen, Geschäftsberichte, Experimente, empirische Untersuchungen, statistische Daten, Praxisinformationen, Archivmaterial.
Literatur ist hingegen als Produkt eines Verwertungsprozesses definierter Quellen entstanden. Es handelt sich um Quellen aus zweiter Hand – um Sekundärmaterial. Hierzu gehören Monografien, Buchbeiträge, Aufsätze, Artikel, Working Paper, Studien.
Weiterführende Literatur
Disterer, G. (2014). Studienarbeiten schreiben (7. Aufl.). Springer-Verlag.
Oehlrich, M. (2019). Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben (2. Aufl.). Springer Gabler.
Theisen, M. R. (2021). Wissenschaftliches Arbeiten: Erfolgreich bei Bachelor- und Masterarbeit. (18. Aufl.). Vahlen.
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