Worauf angehende Ingenieure in ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit achten sollten

Größen, Einheiten und Gleichungen gehören zum Handwerkszeug der MINT-Disziplinen. Das betrifft nicht nur die klassischen Bereiche wie Physik oder Chemie, sondern auch die Geologie, die Astronomie oder die Umweltwissenschaften. Naturwissenschaftler bedienen sich mathematischer Zeichen, um Beobachtungen anhand von Modellen verständlich zu machen und in Formeln zu verpacken, und Ingenieure führen beispielsweise Berechnungen zur Stabilität von Tragwerken oder zur Lebensdauer maschinenbaulicher Systeme durch.

In der Praxis erledigt der Computer die meisten Berechnungen. Bevor die Software eingesetzt wird, müssen die Anwender in der Regel jedoch nachgewiesen haben, dass sie die Vorgehensweise verstehen und dass sie einschätzen können, ob die Ergebnisse auch plausibel sind. Da heißt, sie werden grundlegende Berechnungen erst einmal per Hand vornehmen. Für Abschlussarbeiten aus den Ingenieur- und Naturwissenschaften ist es daher typisch, dass sie Formeln oder Berechnungen enthalten.

Die mathematischen Aussagen müssen inhaltlich stimmen, so viel ist klar. Neben der A-Note zählt aber auch die B-Note. Größen, Einheiten und Gleichungen sollten druckreif gestaltet sein. Wie das auszusehen hat, erläutern manche Fakultäten und Institute in ihren Leitfäden zur Gestaltung wissenschaftlicher Abschlussarbeiten. Teilweise gibt es dabei “Hausregeln” zu beachten, aber das sind nur Nuancen. Die grundlegenden Richtlinien zur korrekten Schreibweise von Größen, Einheiten und Werten sind nämlich klar und allgemeingültig definiert. Das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) lässt grüßen.

Diese Normen summieren sich allerdings zu einem ansehnlichen Stapel, weshalb man nicht nur eine gute Bibliothek braucht, um die teuren Werke kostenlos einsehen zu können, sondern auch die Geduld, sich mit der trockenen Materie zu beschäftigen.

Um euch nun etwas Zeit bei der Recherche zu sparen, gebe ich nachfolgend einen kurzen Überblick, worauf ihr hinsichtlich der mathematischen Notation von Größen, Einheiten und Gleichungen achten solltet. Dafür habe ich häufige Fehler bzw. Fallstricke zusammengefasst, die mir bei der Korrektur von Texten aus den Ingenieurwissenschaften immer wieder auffallen.

 

1. Fehlerquelle: Größendimensionen

 

Physikalische Größen repräsentieren Eigenschaften von Objekten oder Erscheinungen, die gemessen werden können. Einige Beispiele für Größen in der Ingenieurwissenschaft sind die Länge, die Masse, die Geschwindigkeit, die Temperatur, die elektrische Spannung und der Druck.

Im Internationalen Einheitensystem (SI) sind Basiseinheiten für sieben physikalische Größen festgelegt. Die meisten anderen Einheiten lassen sich aus diesen sieben Einheiten ableiten. Da die feste Regel gilt, dass jede Regel eine Ausnahme hat, müsst ihr euch auch mit Fuß, Zoll, Barrel oder Pfund auskennen. Die Rede ist vom angloamerikanischen Maßsystem. 

 So verschieden die einzelnen Größen aber auch sind, haben sie eines gemeinsam: ohne eine zugehörige Dimension (Meter, Kilogramm, Sekunde o. Ä.) verlieren sie ihren Sinn.

 Im Umkehrschluss heißt das, dass unterschiedliche Größen nicht direkt miteinander verglichen werden können. Im erweiterten Sinne gilt dies auch für Prozentangaben. Es ist nicht korrekt zu sagen “75 % der Befragten gaben an …, während 45 Personen …”, da Prozentzahl und Personenzahl unterschiedliche Größen sind.

 

2. Fehlerquelle: Punkt versus Semikolon

 

Intervalle können abgeschlossen, halboffen oder offen sein. Um welche Variante es sich handelt, ist an der Klammer erkennbar. Diese ist entweder eckig (abgeschlossen) oder rund (offen):

 

(−∞; 𝑏]

 

Mengen können mit geschweiften Klammern dargestellt werden:

{𝑎1; 𝑎2; … ; 𝑎𝑛}

 

Intervalle als auch Mengenangaben enthalten eine Auflistung von Zahlen oder mathematischen Symbolen. Nun ist es möglich, diese entweder mit einem Komma oder mit einem Semikolon voneinander zu trennen. Empfohlen wird jedoch das Semikolon, um einer Verwechslung mit dem (deutschen) Dezimaltrennzeichen vorzubeugen.

 

                                       Schreibt also besser [0,1; 2] statt [0,1, 2].

 

Die Zahl Pi auf einem Taschenrechner.

 

 

 

3. Fehlerquelle: Punkt versus Komma

 

Da der Großteil der wissenschaftlichen Literatur auf Englisch erscheint, insbesondere die aktuellste Forschung, wird sich eure Recherche nicht nur auf deutschsprachige Bücher oder Aufsätze begrenzen. Ihr werdet auch in so renommierten Zeitschriften wie Nature, Science oder PubMed nachlesen.

 

Darüber hinaus werden viele Berechnungen mit Software vorgenommen, die international, also englischsprachig ausgelegt ist.

 

Wenn ihr eure Berechnungen oder eure Rechercheergebnisse aus englischsprachigen Quellen niederschreiben wollt, dann achtet aber bitte darauf, das deutsche und das englische System nicht durcheinanderzuwerfen. Dezimaltrennzeichen und Tausendertrennzeichen werden nämlich genau umgekehrt gehandhabt:

 

Dezimaltrennzeichen

 

Im Hochdeutschen wird das Komma als Dezimaltrennzeichen verwendet, im Englischen hingegen der Punkt.

 

75.5 % (englischsprachig)

75,5 % (deutschsprachig)

 

Wie immer kann es Ausnahmen geben. Beispielsweise sieht man bei statistischen Auswertungen häufig, dass der englischen Schreibweise gefolgt wird:

 “Die Überprüfung mit dem Shapiro-Wilk-Test ergab eine Normalverteilung
für alle Gruppen (p > .05).”

     

    Tausendertrennzeichen

     

    Der Punkt wird im Hochdeutschen als Tausendertrennzeichen verwendet, im Englischen steht stattdessen ein Komma. Eine Summe von eintausenddreiundzwanzig Euro kann also wie folgt notiert werden:

    1,023.00 € (englischsprachig)

    1.023,00 € (deutschsprachig)

     

    Der Punkt als Tausendertrennzeichen im Deutschen wird allerdings nur für Geldbeträge empfohlen (DIN 5008). In allen anderen Fällen ist es besser, ein schmales geschütztes Leerzeichen zu setzen:

     

    12.345 €      aber     12 345 kWh

     

    Für welche Schreibweise ihr euch letztendlich entscheidet: Das Wichtigste ist die Einheitlichkeit. Ihr müsst den gewählten Stil über den gesamten Text einhalten, da eure Aussagen ansonsten nicht eindeutig sind.

     

    4. Fehlerquelle: Operatoren

     

    Multiplikation

    In mathematischen Texten ist für die Multiplikation der Malpunkt zu bevorzugen. 

    Manchmal sieht man auch das Malkreuz “×” oder das Sternchen “*”, doch als Alternative zum Malpunkt sind sie nur bedingt geeignet. Das Malkreuz steht für das Kreuzprodukt (Vektorrechnung) oder das kartesische Produkt (Mengenlehre). Das Sternchen wird innerhalb von Excel und bei Programmiersprachen verwendet.

     

    Subtraktion

    Vor und nach mathematischen Rechenzeichen (wie +, –) sollte ein Leerzeichen gesetzt werden. Gemäß dieser Regel wird eine Subtraktion wie folgt notiert:

     

    3 – 2 = 1

     

    Wie zu sehen ist, steht zwischen Minus und Zahl ein Leerzeichen.

     

    Wenn das Minus jedoch als Vorzeichen fungiert, entfällt das Leerzeichen. Demnach sieht das so aus: 

    –3

    0 – 3 = –3

     

    5. Fehlerquelle: Kursivschreibung versus geradestehend

     

    Variablen werden in der Regel kursiv dargestellt (DIN 1338), ebenso Formelzeichen für physikalische Größen sowie Parameter und Zeichen für Funktionen. Bei einigen physikalischen Größen sind mehrere Formelzeichen üblich, da eine Größe in verschiedenen Anwendungsbereichen benutzt werden kann.

     

    Nicht kursiv geschrieben werden Ziffern. Das gilt ebenso für mathematische Konstanten
    (z. B. π, e) und konventionelle Zeichen (sin, exp, log, lim, d). Zeichen für Einheiten als auch Symbole für Chemie und Atomphysik werden ebenfalls senkrecht geschrieben.

     

    Beispiele:

     

    Grundlegende Standards zu Größen, Einheiten und Formeln

     

    Hier habe ich einige relevante Standards aufgelistet, die die Verwendung von physikalischen Größen, Maßeinheiten und Formeln in wissenschaftlichen und pädagogischen Dokumenten regeln. Beachtet bitte, dass die Liste nur eine Auswahl darstellt.

     

    DIN 1301, Einheiten

    DIN 1302, Allgemeine mathematische Zeichen und Begriffe

    DIN 1304, Formelzeichen

    DIN 1319, Grundlagen der Messtechnik

    DIN 1333, Zahlenangaben

    DIN 1338, Formelschreibweise und Formelsatz

    DIN EN ISO 80000, Größen und Einheiten

     

    Mein Tipp

    Wenn ihr nicht mit LaTeX arbeiten wollt, dann verwendet wenigstens den Formeleditor von Microsoft Word. Die Darstellung mathematischer Ausdrücke gelingt damit wesentlich “sauberer” als ohne Formeleditor.

    Variablen werden im Formeleditor allerdings automatisch kursiv gesetzt. Wenn die normale Schreibung gewünscht ist, beispielsweise zur Darstellung mathematische Konstanten, müsst ihr also manuell ein wenig nacharbeiten. 

    Fragen?

    Wenn ihr noch mehr wissen wollt, oder wenn ihr möchtet, dass jemand vom Fach eure Abschlussarbeit gegenliest (damit bin ich gemeint smile), dann meldet euch gerne bei mir.

     

    Als Ingenieurin und Wissenschaftslektorin mit Schwerpunkt Ingenieur-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften unterstütze ich dich gerne bei deiner Bachelorthesis, Masterthesis oder Dissertation.

    Ich freue mich auf deine Anfrage:

    Tel. ‭+49 30 22044864‬, birgit@ingenieur-wissenschaftslektorat.de